Rettet den Mosel-Apollo

Die Population des seltenen Falters schrumpft. Die Lebensräume des seltenen Falters an der Terrassenmoselwerden sind bedroht. Winzer sollen helfen, den Apollofalter (Foto: Daniel Theisen) an der Mosel zu erhalten.

Weinberge sind eine vom Menschen über Jahrhunderte geformte Landschaft. Der Weinbau prägt die Kulturlandschaften ganzer Regionen. Der Weinberg ist ein ganz spezielles Biotop: Hier hat sich eine faszinierende Lebensgemeinschaft von Tieren und Pflanzen gebildet.
Einer der schönsten in Deutschland heimischen Tagfalter, der Apollofalter, unterliegt im Rahmen des Artenschutzes einem besonderen Status. Das Verbreitungsgebiet der Art ist stark eingeschränkt. Seine nördliche Verbreitung liegt an der Terrassenmosel. Dort wird der Apollofalter von Naturschützern wie von Winzerinnen und Winzern gleichermaßen geschätzt.

Der schöne und seltene Tagfalter verdankt seinen außergewöhnlichen Namen einer Laune des schwedischen Botanikers von Linne, der in der Mitte des 18. Jahrhunderts eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen wissenschaftlich ordnete und jede Art mit zwei lateinischen Namen benannte - einem Gattungs- und einem Artennamen. Parnassius Apollo benannte er den Schönling unter den Schmetterlingen. Der Parnaß, eine Gebirgsgruppe in Mittelgriechenland, war in der Antike Sitz des Apoll und der Musen: Apoll war der Gott des Lichts und Inbild der Vollkommenheit. In der damals mit der antiken Welt vertrauten Bildungsschicht war es üblich, solche wissenschaftliche Namen an Tiere und Pflanzen zu vergeben. Stichel gab 1899 dem Moselapollo den Namen Parnassius apollo vinningensis in Anlehnung an das Vorkommen nahe der Weinbaugemeinde Winningen.

Lebensräume des Apollos sind die extrem sonnenbeschienenen trockenen, von Buschwerk freien Flächen zwischen den Rebkulturen, Steinhalden und die Weinbergsmauern. Viele Lebensräume sind in den letzten Jahrzehnten aus den unterschiedlichsten Gründen und Maßnahmen in vielen Regionen zerstört worden. Die Raupe des Apollofalters hat als Nahrungsgrundlage Sedum album, die Weiße Fetthenne, im Volksmund Mauerpfeffer genannt, während der Falter blühende Nektarpflanzen als Lebensgrundlage benötigt, wie beispielsweise die Skabiosen-Flockenblume und die Acker Witwenblume. Beide, Raupe und Schmetterling, stellen hohe Ansprüche an Licht- und Temperaturbedingungen. Der Falter benötigt für seine aktive Flugtätigkeit besonders hohe Temperaturen und intensiven Sonnenschein.

Die Weibchen legen ihre Eier ab Juli an Steine und abgestorbene Pflanzenteile in die Nähe der Futterpflanze, dem Weißen Mauerpfeffer, ab. Die Überwinterung erfolgt im Eistadium. Der Schlupf der Raupen ist im März. Diese suchen sich den Weißen Mauerpfeffer als Nahrungspflanze. Nach vier Raupenstadien und vier Häutungen verpuppt sich der Apollofalter unter oder zwischen Steinen in einem lockeren Gespinst. Die Schmetterlinge selbst schlüpfen nach zirka 20 Tagen Puppenruhe im Mai und Juni und werden flugaktiv.

Aktuell erreicht ein Notruf der Entomologen die Winzer und Naturfreunde an der Terrassenmosel. Schmetterlingskundler (Lepidopterologen) berichten über eine dramatische Entwicklung der Apollofalterpopulationen. Selbstverständlich wird intensiv  nach den Gründen für den Rückgang der Populationen gesucht. Derzeit kann über die Ursache für die negative Bestandsentwicklung nur spekuliert werden.

Im Jahr 2005 konnte noch eine außergewöhnlich starke Population des Apollofalters an der Terrassenmosel nachgewiesen werden. Recht zahlreich wurde der Moselapollo zum letzten Mal in 2011 beobachtet. Ein Jahr später kam es zu einer deutlichen Verringerung der Individuenzahlen an allen bekannten Vorkommen. In 2019 zeigten sich leider auch wieder nur noch einzelne Exemplare. Droht nun ein unmittelbares Aussterben des Moselapollos? Das wäre fatal und muss unbedingt verhindert werden.

Wie so oft kommt bei solchen Problemen der vermeintliche Konflikt zwischen Weinbau und Naturschutz zur Sprache. Ganz schnell stehen dann die Winzer mit ihrer Anwendung von Pflanzenschutz und Düngung am Pranger. Diesem Vorwurf kann deutlich widersprochen werden. Seit 1982 wird in den Fluggebieten des Mosel-Apollofalters vollständig auf den Einsatz von Insektiziden vom Hubschrauber aus verzichtet. Das Versprühen von Pilzwirkstoffen (Fungiziden) ist für die Schmetterlinge ungefährlich, wie Untersuchungen durch Fachleute der Uni Köln gezeigt haben. Im Sinne der weinbaulichen Bewirtschaftung der Steillagen wird der Einsatz des Hubschraubers zur Bekämpfung der Pilzkrankheiten aus der Sicht der Schmetterlingskundler sogar begrüßt. Im Verbotsfalle des Hubschrauberspritzverfahrens würden diese steilsten Weinbergslagen sicherlich bald aufgegeben werden und in der Folge verbuschen und auch für den Apollofalter keinen Lebensraum mehr bieten.

Die fortschreitende Verbuschung der Lebensräume sowie der Verkehrstod vieler Falter in trockenen Jahren dürften den Schmetterling zwar stellenweise, aber nicht überall gefährden. Sobald die Futterpflanzen für den Falter in den Felspartien mangels Wasserversorgung keine Blüten hervorbringen, suchen die Falter tiefer liegende Wegraine und Böschungen an der Bahnlinie Koblenz-Trier und an der B 416 auf. Durch den Bahn- und Autoverkehr verenden viele Falter.

Vor allem lässt sich mutmaßen, dass ein globales Problem, wie die Klimaerwärmung, den besorgniserregenden Trend bedingt. Um die genaue Ursache für den Rückgang des Moselapollos herauszufinden, werden zielgerichtete Forschungen unerlässlich sein. Sollte sich bewahrheiten, dass die Klimaerwärmung für den Rückgang des Apollofalters im Moseltal verantwortlich ist, dann wird ein langfristiger Erhalt des Schmetterlings kaum möglich sein. Solange diese These aber nicht bestätigt werden kann, gilt es Maßnahmen zu ergreifen, die eine Steigerung der Lebensraumqualität vorsehen. Aufgrund der zunehmenden Sukzession sind nämlich vielerorts Entbuschungsaktionen nötig, um das weitere Vorhandensein der für Falter und Raupen wichtigen Futterpflanzen zu gewährleisten. Hierzu sollten vor allem überwucherte Trockenmauern und Felspartien freigestellt werden. Außerdem wird es von Bedeutung sein, die einzelnen Vorkommen des Schmetterlings miteinander zu vernetzen.

Mit dem Ausbringen von geeigneten Nektarpflanzen lassen sich gegebenenfalls die oft hohen Ausfallraten bei den Faltern, die der Schienen- und Straßenverkehr bedingt, eindämmen. Für die entsprechenden Pflanzen müsste man tiefgründige Standorte wählen, damit diese auch in trockenen Jahren zur Blüte kommen können. In diesem Zusammenhang ist es sehr kritisch zu sehen, dass invasive Pflanzenarten die heimischen Nektarpflanzen des Falters immer weiter verdrängen. Hier ist als schädlich besonders das Schmalblättrige Greiskraut (Senecio inaequidens) zu nennen, das sich auf den Mauern und in den Weinbergen der Terrassenmosel breit macht. Es macht also Sinn, dieses ursprünglich aus Südafrika stammende, inzwischen weltweit vorkommende Schmalblättrige Greiskraut im großen Umfang aus den potenziellen „Apollofalter-Regionen“  zu entfernen und stattdessen geeignete Nektarpflanzen wie die Skabiosen-Flockenblume oder Acker-Witwenblumen auszusäen. Die Jungwinzer und Schröter der Gemeinde Winningen beteiligen sich seit gut einem Jahr an einer entsprechenden Naturschutzaktion. Bleibt zu hoffen, dass dieses Engagement von Erfolg gekrönt sein wird. 

Auch wenn die Klimaerwärmung keine Schuld am Rückgang des Moselapollos haben sollte, ist es möglich, dass eine Umsetzung der genannten Maßnahmen nicht ausreicht und weitere Schritte notwendig sind. Ohne das Wissen über die genaue Ursache können diese allerdings nicht eingeleitet werden. Es wäre daher dringend erforderlich, ein Expertenteam zu bilden, welches die Situation durch entsprechende Forschungen aufklärt. Das Thema duldet definitiv keinen Aufschub mehr, sofern die Hoffnung gewahrt bleiben soll, den Falter auch noch zukünftig im Moseltal bewundern zu können.                                         Gerd Knebel

Quellen: Melanariga Nachrichten der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen, XXXII. Jahrgang, Heft 1